Über den Hohen Atlas nach Marrakech

Ait Ben Haddou - der UNESCO Weltkulturerbe-Ort und Besuchermagnet liegt am Fusse des Hohen Atlas in prachtvoller Landschaft.

Nebst der kulturellen Besonderheit wird mir später auch mein Tiefflug der anderen Art in Erinnerung bleiben. Während Barni in einiger Entfernung  nach dem richtigen Weg Ausschau hält, wird mir der ausgefranste Strassenrand mit seinem Absatz Ruck Zuck zum Verhängnis. Schneller als ich begreife, liege ich wegen eines Fehltrittes flach auf dem Boden und mein linker Fuss fühlt sich nicht so toll an. Staub abklopfen, auf die Zähne beissen und beim nächsten Bächlein im Dorf die Hände und Schürfwunden abwaschen! Ein Indianer kennt schliesslich keinen Schmerz und weiter geht es zur Besichtigung, des am Hügel angelegten alten Ortsteils mit seinen Lehmbauten. Ein atemberaubender Rundblick auf die Ebene bis weit übers Land und in die Berge belohnen den Aufstieg.

 

Aktuell ist unsere kleine, rollende Haushaltung etwas dezimiert. Ich plage mich mit dem verknacksten, geschwollenen Knöchel und seit Tagen streikt zu allem Elend die Nespresso-Maschine. Zum Glück gibt es in Marokko fast nur guten Kaffee und in Marrakech werden wir den Nespresso-Service anpeilen. Ja so geht das auch in unserem Leben, mal besser Malbuner, passt scho!!

 

Ins Schwärmen bringt uns die Fahrt bei umwerfendem Traumwetter über den Tizi n’Tichka nach Marrakech. Ein Pass den wir so schnell nicht vergessen mit seiner äusserst abwechslungsreichen Vegetation und dem abenteuerlichen Strassenverlauf. Den schneebedeckten Hohen Atlas stets im Fokus, führt die serpentinenreiche Strasse durch das rötliche Felsgebirge, das ebenso gut in Arizona liegen könnte.

 

Beim Kaffeehalt unterhalten wir uns angeregt mit dem gut deutsch sprechenden, gewitzten Chef. Zum Schluss versichert er Barni, wieviel Glück er habe mit mir, 900 Kamele würde er tauschen!! Eine beachtliche Anzahl wenn man bedenkt, dass letztens ein junger Mann für den Carthago 10 Kamele plus seine Grossmutter dazu geboten hat...... Zu meiner Beruhigung: die Kamele haben bisher das Rennen nicht gewonnen!

 

Durch Marrakechs Strassen erleben wir das unfassbare Grossstadtgetümmel mal wieder hautnah, es kann wohl kaum getoppt werden. Wir lernen gerade, dass an einem Freitag, wenn immer möglich die Moscheen grossräumig umfahren werden sollten.....

Etwas ausserhalb des Stadtrandes liegt unser 1001-Nacht-Ziel das wir ansteuern. Ein traumhaftes Anwesen eines deutsch/marokkanischen Ehepaars, das seit über zwanzig Jahren Urlaub auf beinahe privater Ebene anbietet. Sie bringen ihren Gästen das Land und die marokkanische Küche auf spezielle Weise näher.  Seit diesem Jahr zählt auch ein komfortabler Stellplatz zu ihrem Angebot. Vor ein paar Wochen haben wir in Essaouira das reizende Paar kennengelernt, das mit ihrem Tour-Bus ebenfalls dort auf dem Parkplatz stand. Sorgfältig haben wir das erhaltene Prospektmaterial aufbewahrt, um das Märchenanwesen später zu besuchen und zu geniessen! Auch als Auch als Womo-Gast darf man sich auf dem gesamten Gelände wie zu Hause fühlen oder sich für ein Nachtessen anmelden. Die Tage in dieser herzlichen Wohlfühl-Atmosphäre sind eine echte Bereicherung unserer Reise-Erlebnisse. Bei einem nächsten Marokko-Aufenthalt darf dieser Besuch nicht ausgelassen werden.

 

Um in die pulsierende, aufregende Medina von Marrakech einzutauchen eignet sich dagegen der ideal gelegene Stellplatz direkt hinter der Koutoubia-Moschee besser. Nachts herrscht eine erstaunliche Ruhe am abgeschirmten Platz und des Morgens ist der nächste Fladenbrotkarren nur zwei Steinwürfe entfernt. Auf meine Frage nach dem Preis der 2 Fladenbrote antwortet mir das alte Vätterli: „15 Millions Dirham sans service“ !! Dabei grinst er übers ganze Gesicht und stellt damit seinen einzigen, noch vorhandenen Zahn voll ins Rampenlicht! Ist eh eine absolute Seltenheit, wenn man auf Einheimische mit vollzähligen Zahnreihen trifft!

 

Den ganz besonderen Farbtupfer setzt unser Treffen mit Barni’s einstigem Mal-Lehrer. Dieser ist mit einer Gruppe angehender Skizzier- und Malkünstler aus Deutschland und der Schweiz für eine Woche  angereist. Dank der modernen Elektronik ist ihm unser momentaner Aufenthaltsort natürlich nicht entgangen, was schliesslich zu einem längst fälligen, freudigen Wiedersehen im fernen Marrakech führt. 

 

Ausgiebig nehmen wir uns Zeit für das lebhafte Geschehen in der Medina, welche ebenfalls zum UNESCO-Welterbe zählt. Allein der immense Jemaa el Fna, der zentrale Marktplatz von Marrakech wird zum unvergesslichen Marokko-Erlebnis. Tagtäglich verwandelt sich am späten Nachmittag ein Teil des Riesenplatzes in eine „Fressmeile“. In der Luft hängen dann bald die würzigen Düfte der marokkanischen Küche und mit verbaler Überzeugungskraft wird das hungrige Publikum angelockt. Ob Fisch, Fleischbällchen, Tajine oder Gemüse, Gaumen und Magen freuen sich über das reichhaltige Angebot einheimischer Gerichte.

 

Der kunterbunte Trubel auf dem weltbekannten Platz ist Unterhaltung pur mit Schlangenbeschwörer, Geschichtenerzähler und anderen Gauklern. Einesteils spielt sich hier in Marrakech der wahrhaftige Tourismus ab und dennoch sind so manche Bilder äußerst authentisch.

 

Zur Sehenswürdigkeit, die unbedingt den Besuch wert ist zählt zweifellos der ‚Jardin Majorelle’. Ein wahres Juwel von einer exotischen Gartenanlage, mitten in der Neustadt von Marrakech. Sie wurde im Jahr 1980 von Yves St. Laurent und seinem Lebensgefährten gekauft. Die beiden liessen den damals verwilderten Garten  etappenweise wiederherstellen und zum heutigen Bijou gestalten.

 

Die wendigen Petit Taxi bringen einem in rasanter, für uns waghalsigen, slalomartigen Fahrweise und dennoch erstaunlich sicher ans gewünschte Ziel. Den günstigen Preis handelt man mit Vorteil gleich vor der Abfahrt aus. Im Feilschen sind wir inzwischen Meister geworden und das nicht nur mit den Taxifahrern, denn die Marokkaner wollen um jeden Preis handeln!

Auf Dauer wird das unaufhaltsame, hartnäckige „Verkaufenwollen“ aber richtig anstrengend - da hilft auch das noch so teilnahmslose durch die Strassen schlendern wenig. Irgendwer versucht dich immer zu überzeugen (gucken kostet nichts!!) für irgend etwas, das du weder brauchst noch willst, nämlich auch nicht zum ‚Bestpreis’ oder ‚Démocratiquepreis’!! Zusätzlich hat es Barni schwierig, denn allenthalben wird nach „Monsieur Moustache“ gerufen, und man möchte sich von der Echtheit seines kunstvollen Oberlippenbartes überzeugen!

 

So steigt nach den intensiven Touristen- und Medina-Tagen unser Bedürfnis, ins Abseits abzutauchen und die Rückkehr der Nespresso-Maschine abzuwarten. In etwa 11 km Entfernung gelingt uns das locker auf dem sympathischen Camping Relais de Marrakech.

Das grandiose Sommerwetter lädt zum Badehose-Tenü, Liegestuhl und Lesestoff ein (wenn gerade keine Schreibarbeit ruft!!).

Ausnahmsweise sind hier unter den F-D-GB-E-I-NL-B-Artgenossen auch Landsleute aus der Schweiz anzutreffen, so dass mal wieder heimisches Geschwätz möglich ist.

Mit dem letzten Märztag findet denn unsere Sehnsucht nach dem Kaffeeduft im eigenen Heim endlich ein Ende! Freude herrscht über die frohe Botschaft per Whats App vom engagierten Nespresso-Man. Eilig machen wir uns auf den Weg, um das arg vermisste Teil abzuholen.

 

Alles wieder paletti in Afrika, denn dem verknacksten Fuss geht’s ebenfalls mit jedem Tag noch besser!