Gar so grosszügig hat es der Wettermeister mit der durstigen Natur hier nicht gemeint! Des einen Leid – für Rita’s Wäsche eine Freud, denn sie flattert fröhlich im wehenden Wind. Der Campingplatz in Ounagha ist eine kleine, gepflegte Oase. Die erste die wir in dieser Art antreffen in Marokko und sie könnte eben so gut irgendwo in Europa sein.
Auf unserem Streifzug durch den Ort Ounagha, der mitten im Argan-Tal liegt, treffen wir eher zufällig auf die Cooperative Féminine Mogador für Arganöl. Die junge, sympathische und geschäftstüchtige Präsidentin Hadna versteht ihren Job und zeigt uns von A-Z wie das hochwertige Arganöl entsteht. Ein durch und durch aufwändiges Verfahren, das aus reiner Frauen-Handarbeit besteht. Für einen Liter Arganöl werden ca. 2,5 kg Argan-Mandelfrüchte benötigt. Diese müssen zuerst mühsam von Hand aus ihren Schalen geklopft und danach aussortiert werden. Pro Tag ergibt die Gemeinschaftsarbeit der Frauen ca. 800–1000 g Mandelkerne. Danach werden die Kerne geröstet bevor sie schliesslich mit der Steinmühle von Hand bearbeitet und zum kostbaren Arganöl gepresst werden . Kein Wunder dass die gewonnene Köstlichkeit auch das flüssige Gold Marokkos genannt wird. Die Degustation des reinsten Arganöls und dem Brotaufstrich Amblou ist ein Gedicht, dazu serviert uns Hadna den feinen, marokkanischen Tee à la Menthe.
Arganbäume sind weltweit nur in Marokko in natürlichem Verbreitungsgebiet anzutreffen. Dieses erstreckt sich vom hohen Atlas über den Anti Atlas, zur südlichen Atlantikküste im marokkanischen Südwesten. Wir werden uns noch eine ganze Weile am typischen Anblick der Argangegend erfreuen. Diese Landschaft ähnelt mehr und mehr unseren Vorstellungen, wie wir sie von Marokko hatten.
In Taghazoute (ca. 20 km vor Agadir) auf dem Campingplatz erleben wir das künstlerische Geschick des Marokkaners Rachid, der hier eine bekannte Grösse ist. Mit seinen geschmackvollen, malerischen Sujets verleiht er jedem Womo seine persönliche Note. Diverse Werke aus seiner Künstlerhand überzeugen uns und so prangt seine „Handschrift“ seither als perfekter Blickfang auch auf unserem Heck. Wir haben jetzt unseren eigenen Ziegenbaum, wie der Arganbaum auch genannt wird!
Die Temperaturen verraten eindeutig dass wir uns immer südlicher befinden. Die Tage bis Sonnenuntergang muten frühsommerlich an und die Nächte, obschon sie kühl sind, machen das Heizen überflüssig. Das alles geht bestens mit unseren Vorstellungen einher.....
Da ist es kaum verwunderlich, wenn die Tendenz der Womo-Dichte auf den Plätzen zunehmend ist. Dabei sind die Franzosen deutlich in der Überzahl (zuweilen auch gewöhnungsbedürftig!), wogegen die bisher getroffenen Schweizer-Fahrzeuge an einer Hand gezählt werden können.
Unsere Route führt uns weiter nach Sidi Ifni wo wir kurz davor die sehenswerten, ausgespülten Felstore am Strand vom Leghzira aufsuchen. Ein imposantes Naturwunder, denn der über Jahre ausdauernde Wellengang des Meeres zeigt hier deutlich seine Wirkung.
Mit der viel erwähnten Plage Blanche erreichen wir den südlichsten Punkt unserer Marokko-Reise. Obwohl am Strassenrand allenthalben Kamel-Warntafeln aufgestellt sind, sehen wir leider keins der Tiere. Einsame Kilometer durch Wüstenlandschaft legen wir zurück, bis das angestrebte Ziel endlich vor uns liegt. Einmal sollte man sich diese Plage Blanche mit ihrer wohl entlegensten, unendlichen Strandwüste ansehen, wenn man nach Marokko kommt. Aus einiger Entfernung sichten wir sogar Flamingos. Nachts um vier Uhr setzt ein heftiger Windsturm mit unheimlichem Pfeifen ein und vervollständigt unser Bild vom gefühlten Ende der Welt!
Für die nächsten zwei Tage hält das Windspektakel an und mit der Rückfahrt nach Tiznit versuchen wir ihm auszuweichen.
Langsam kehren wir der Küste den Rücken und wenden definitiv ins Landesinnere. Inspiriert von den Wüsten ähnlichen Landschafts-bildern wählen wir darum für den Weg nach Osten die weniger touristische Wüstenroute. Nach Bouizakarne beginnt es endgültig mit dem Marokko-Gefühl. Traumhaftes Niemandsland in braun/beigen Farbtönen, die mit dem Blau des Himmels einzigartig harmonieren. In riesengrossen Abständen kommt uns mitunter ein Fahrzeug entgegen und in seltenen Fällen kann es auch ein Womo sein. Aus Jux äussere ich irgendwann den Wunsch, beim nächsten Café anzuhalten. Als sich die Gelegenheit in Kürze tatsächlich bietet bei einer „Tankstelle“ im Outback, schmunzeln wir staunend! Gespannt betreten wir den etwas finsteren Raum, Fernseher und Billardtisch gehören aber zur Einrichtung! Eine Handvoll Jungs schaut uns ebenso gespannt und grinsend entgegen, klar dass wir die Tagesattraktion sind. Hinter der Theke strahlen uns zwei Boys an mit der üblichen „soyez bien venu“-Begrüssung. Den Kaffee den sie uns frisch zubereiten schmeckt übrigens vorzüglich. Ein spannendes, unerwartetes Erlebnis in „the middle of nowhere“, inklusive der vorhandenen Smartphones bei den Jungs, die eigentlich im Schulzimmer sein müssten .....
Die nächste erfreuliche Überraschung stellt sich mit der bezaubernden Camping-Oase in Icht ein. Ob mit Womo- oder
als Hotel-Gast, in der gepflegten Anlage wo das typische Afrika-Gefühl aufkommt, ist man herzlich willkommen und bestens aufgehoben. Der fantastisch klare, reichhaltige Sternenhimmel in der
dunklen Nacht ist inbegriffen!
Hier geniessen wir zur Abwechslung wieder einmal eine marokkanische Tajine. Das herzhafte Nationalgericht wird auf dem Feuer oder Gas geschmort und besteht aus verschiedenen Gemüsen, Kartoffeln und Fleisch. Fast in jedem Camping wird sie auf Bestellung in der unverkennbaren Tonform auch ins Womo geliefert. Egal wo und ob mit Poulet, Lamm oder Rind, sie schmeckt einfach immer köstlich.
Wie Beispiele zeigen: es gibt sie durchaus, die tüchtigen Marokkaner die ihre Chance auf unterschiedliche Arten zu nutzen wissen.
Mit sandigen Grüssen aus dem marokkanischen Süden