Treten an Ort in Drepano

Ausser unserem Ernteaufenthalt bei Billy und Hans in Agio Ioannis sind wir hier in Drepano zum ersten Mal für eine längere Dauer sesshaft auf dem Campingplatz. Das ist gut so denn es muss damit gerechnet werden, dass wir den griechischen Winter noch anders kennen lernen. Vorerst waltet jedoch der warme Südwind seines Amtes und das nicht zu knapp. Die Palmen am Strand weisen eine einheitliche, will heissen eine einseitige Sturmfrisur auf. Unseren Frisuren (insbesondere der einen!!) kann er dagegen nichts anhaben, vielmehr beschäftigt er uns beim Rad fahren, wenn er von vorne angreift. Für den anspruchsvolleren Einkauf bedarf es ein- bis zweimal wöchentlich eines Rad-Ausfluges nach Nafplio, Distanz hin/zurück 24 km.

Zu erwähnen ist dabei, dass Rad fahren in Griechenland nicht wirklich ungefährlich ist. Die Autolenker scheren sich z.B. beim Aussteigen oder Wegfahren vom Strassenrand einen Deut darum, ob gerade ein Velofahrer am Vorbeifahren ist. Ständige und grösste Aufmerksamkeit ist darum von Vorteil. Gleichzeitig gilt es, die oft schadhafte Fahrstrecke stets im Auge zu behalten. Beim Unterwegs sein mit dem Velo ist nämlich die eigene Unachtsamkeit rasch und direkt am Hinterteil spürbar!! Der Strassenbau inklusive deren Reparaturen sind zweifelsfrei nicht die Stärken der Griechen. Wofür sie hingegen die Bestnote wenn nicht die Goldmedaille verdienen ist ihre absolut unerreichte Joghurtqualität. Sie ist so was von cremig und reichhaltig: zum Verwenden für das traditionelle Tsatziki, fürs Frühstücksmüesli oder für was auch immer. Emmi, Toni und Co. sind bestimmt gut - doch schlicht zu wenig um es mit den Griechen aufzunehmen. OK, im Moment gibt es für diese sonst nichts zu lachen, denn gar Manches liegt in diesem schönen Land im Argen. Bleibt nun die Hoffnung auf das Geschick der beiden Minister Tsipras und Varoufakis.


Das frühlingshafte Winterwetter ermöglicht es, in unserem Alltag hin und wieder ein Highlight einzubauen. Einer der Prachtstage bietet sich an für eine Verlotour. Über ein sanft ansteigendes Pässchen fahren wir nach Kantia und weiter bis nach Iria. Der einmalige Blick auf das Meer und die kultivierte Gemüselandschaft sind die reinsten Leckerbissen für unsere Augen. Ganz besonders erfreuen wir uns an den ach so vielen Artischockenfeldern. Das extrem milde Klima in dieser flachen, geschützten Ebene ist wohl verantwortlich für das prächtige Gedeihen des unendlichen Gemüsegartens. Am Dorfeingang von Iria treffen wir auf den ersten blühenden Mandelbaum. Ein traumhaftes Bild und sogar mit Ton, denn ein emsiges Bienengesumme ist lautstark zu vernehmen. Freude kommt auch auf ob der Schussfahrt beim Heimfahren. Sie trägt wesentlich dazu bei, dass wir in Rekordzeit zurück in Drepano sind.

 

Wie gesagt, die wirklich winterlichen Temperaturen sind demnächst auch hier zu erwarten. Im Klartext ist laut Vorhersagen in der Nacht mit Minus zu rechnen und tagsüber erreicht das Thermometer max. um 6-8°. Wir tragen es mit Fassung, denn seit wir im November in Griechenland angekommen sind, herrschen hier von den südlichen Destinationen (Spanien, Portugal, Sizilien) die wärmsten Verhältnisse. Glück gehabt dass wir unser Olivenprojekt diesen Winter verwirklichen wollten!


Wir nutzen also den Wettersegen, denn mit dem markanten Berg, wir nennen ihn „Zuckerhut“, haben wir noch ein offenes Projekt. Sein wirklicher Name ist Tsakali und weist mit 338 m die höchste Erhebung in der Umgebung auf. Die zuoberst erkennbare Kapelle ist für Barni seit unserer Ankunft  Hinweis genug, dass es bestimmt einen Weg hinauf gibt.

Auf dem Rad geht’s ins benachbarte Asini, wo wir den Einfädler vermuten und auch finden. Die ordentliche Steigung verlangt beträchtlich Puste doch ich verkneife es mir vorzeitig Forfait zu geben. Wir sind unserem Ziel schon ein ganzes Stück näher, jetzt folgt der Fussmarsch. Zuerst müssen jedoch die Velos vor unerwünschter Entführung gesichert werden. Barni hieft sie deshalb etwas ins Abseits. Ein gut markierter, teilweise steiler Felsweg führt auf den Berg, den wir nun schon seit Tagen immer wieder aus der nahen Entfernung anstaunen. Der Ausblick aus der Vogelperspektive über die weite Ebene und das Meer mit seinen Inselchen ist einzigartig bei dem Prachtswetter.

Nach dem Abstieg wartet unten eine unliebsame Überraschung – ein Plattfuss an Barni’s Velo! Bingo, den Weg zurück nach Hause zu Fuss macht keine Stimmung. Die Variante mit Barni auf meinem Gepäckträger und den Patient an der Seite mitführen dagegen schon eher. Wir geben wohl ein lustiges Bild ab, schade kann uns niemand fotografieren. Ausgerechnet an der steilsten Stelle bei der Abfahrt kreuzen sich vor uns zwei Pickups. Der talwärts Fahrende verliert dabei seine aufgeladene Schubkarre, die dem Entgegenkommenden seitlich an den Kotflügel und dann auf die Strasse kracht. Super, wir sind mitten im Geschehen, haben Glück und setzen unsere Talfahrt fort. Unten im Dorf ist der Versuch für die Reparatur bei der Tankstelle logischerweise erfolglos. Der hilfsbereite flotte Bursche spricht leidlich englisch ist aber mit seiner extremen Stotterbehinderung kaum zu verstehen. Dennoch erfahren wir schliesslich, dass es in Drepano einen Motoservice gibt, das ist doch schon was. Weiter geht die Fahrt, nun setze ich mich auf den Gepäckträger und Barni übernimmt das Treten und Lenken. Das letzte Stück gehe ich noch zu Fuss infolge „Füdle weh“!

Am Montag nimmt die Geschichte hoffentlich ein gutes Ende beim Motoservice, ansonsten wird es etwas komplizierter. Einmal hat es ja soweit kommen müssen, damit Veloprofi Barni auf die Idee kommt, Reserveschläuche und Rep-Werkzeug mitzuführen......

Aber ohalätz, der flinke Moto- und Velomech bringt uns vielleicht zum Staunen, wie ultraschnell er den Schlauch ersetzt hat. 8 Euro leichter (inkl. Ersatzschlauch) verlassen wir das relativ moderne Geschäft nach kaum zehn Minuten. Puah, das hat jetzt unsere Erwartungen mehr als übertroffen.


Unterdessen hat uns die Kältewelle tatsächlich erreicht. Fertig warmer Südwind mit sandiger Sicht. Jetzt weht er aus Norden und das Thermometer ist zu faul, um höher als bis 8° zu klettern. Nach den frühlingshaften letzten Wochen empfinden wir den Unterschied ausgesprochen krass.

Doch wir sind hart im Nehmen und ab und zu nehmen wir im Vorbeigehen frische Orangen vom Baum! Ohne schlechtes Gewissen erlauben wir uns dann, einige der feinen Früchte zu pflücken und im Rucksack verschwinden zu lassen, bevor auch sie zu Boden und der Fäulnis zum Opfer fallen.

 

Bis demnächst wieder, jàssas!