Geduldsprobe Backofen(türe)

Genau, Fortsetzung folgt!

Vorerst ist unsere Warteposition voll i.O. und wir erkunden die Küste von Cabo Raso weiter nach Costa de Caparica. Dazu müssen wir die Hängebrücke „Ponte de 25 Abril“ passieren die mit ca. 3 km Länge über den Rio Tejo führt. In Nord-Süd Richtung verbindet sie den Lissaboner Stadtteil Alcântara mit der Stadt Almada und ist höchst beeindruckend mit ihren sechs Autobahnspuren. Gleichzeitig verläuft eine Ebene tiefer die Eisenbahnstrecke. 

Vom wohl klingenden Namen Costa de Caparica haben wir uns offensichtlich zu viel versprochen. Nichts von Idylle wie wir sie bisher erlebten, hier gibt’s unpersönlichen Tourismus pur, vollkommen auf die Surfer ausgerichtet. Kein Ort zum Bleiben für uns – nichts wie weg!

 

Ein Stück weiter südlich in Fonte da Telha findet sich direkt am Meeresstrand schon eher das Gesuchte! Die zusätzliche Überraschung bei unserer Ankunft ist das grosse MAN-Womo mit SZ-Kennzeichen. Erstmals seit wir in Portugal sind, dass es zu einer Bekanntschaft mit Schweizer-Gleichgesinnten kommt. Da sind echt heimatliche Gefühle spürbar, wenn man mit Nachbarn mal wieder schwatzen kann wie einem der Schnabel gewachsen ist!! Wir gehen davon aus, dass sich unsere Wege später im Süden wieder kreuzen werden, wäre schön.


Dann ruft das Cabo Espichel mit seinem Leuchtturm, dessen Nachbar wir für eine Nacht sind. Ein besonderes Feeling ist es, mausbeinallein in unmittelbarer Nähe seiner weitreichenden, drehenden Lichtkegel zu schlafen. Seliger hätte der nächtliche Tiefschlaf nicht verlaufen können. Der Wanderausflug nach dem Frühstück fällt dann leider etwas verkürzt aus, denn so viele Pfade wie es zuerst den Anschein macht, führen nicht durch die Landspitze. Ausser dem Leuchtturm thront hier auch das einstige Kloster mit der barocken Wallfahrtskirche Nossa Senhora do Cabo.

 

Auf dem Weg zur Lagune Albufeira gilt es gleich zwei Schrecken zu verdauen. Da ist erstens mein absolutes Ärgernis vom abstürzenden Backblech mitsamt Bratpfanne!!  Weil heute vor der Abfahrt so gar nichts der Reihe nach verlief, habe ich vollends vergessen den Backofeninhalt (Blech, Bratpfanne, Gratinform) sturzsicher zu verstauen. Irgendwann nach einer Kurve ist ein dumpfer, satter Knall aus dem hinteren Bereich zu vernehmen. Die unschöne, massive Schnatter im Fussboden lässt ewig grüssen ....... Zur Erinnerung: das klaffende Loch des ausgebauten Backofens dient zur Zeit als Abstellfläche – sinnigerweise NICHT während der Fahrt!!

Schreck Nummer zwei ist das alte Müetterli, das mit dem Rollator leicht verstört in einem grossen Kreisel am Rande steht, unglaublich! Wir hoffen dass sie die richtige Ausfahrt findet.

 

An der Lagoa Albufeira weht ein kräftiger Wind, den die Kitesurfer für ihre Künste im Highspeed-Tempo genial zu nutzen wissen. Bunt treiben sie es mit ihren Schirmen über und auf der Lagune, die Verkehrsregeln haben sie dabei voll im Griff.

 

In der historischen Stadt Sintra gehört das portugiesische Nationalschloss seit 20 Jahren zum Weltkulturerbe. Dessen Besichtigung lehrt uns, dass die deutschen und französischen Könige keineswegs die alleinigen Liebhaber von Prunk und Kunst waren. Der überdimensionale Wappensaal mit der gewölbten, bemalten Holzdecke und den Azulejos-Wänden ist absolut unerreicht in seiner Schönheit. Es handelt sich um den bedeutendsten Heraldik Saal Europas.

Der steile, knapp einstündige Aufstieg zum Castelo dos Mouros belohnt uns mit dem einzigartigen Aus- und  Weitblick bis zum Meeresstrand. Sonnenschein, blauer Himmel und Fitness inbegriffen.

 

Allmählich beginnt uns die Backofen-Wartesituation zu nerven. Nach mehr als einer Woche suchen wir unseren SOS-Monsieur auf um nachzufragen, da er telefonisch nie erreichbar war. Strahlend meint der gütige Papa, die Teile müssten gekommen sein. Nach längerer Zeit stellt sich dann allerdings heraus, dass dem nur vermeintlich so war! Die Nachforschungen ergeben schliesslich, dass diese noch in Coimbra sind und er sie in den nächsten 2 Tagen erhalte. Das ist doch schon was!

Unterdessen hat unser Ofen mit neuen Scharnieren wieder seinen angestammten Platz im „klaffenden Loch“ und funktioniert einwandfrei.

 

Von einem völlig neuen Fahr- und Freiheitsgefühl beflügelt, schlagen wir nun endlich die Richtung in den Alentejo, ins Landesinnere ein. Für eine Weile kehren wir der wilden Atlantikküste den Rücken und überqueren den Rio Tejo auf der bombastischen Vasco da Gama Brücke. Sie ist mit 17,185 km (Autobahn) die längste Brücke Europas und eine der Längsten der Welt.

 

Der Alentejo ist die Region der Korkeichenwälder, was kaum zu übersehen ist. Schnurgerade verlaufende Strassen in ungeahnter Länge und Korkeichen bis genug. Mindestens 30 Jahre muss der Baum alt sein, bevor seine Rinde erstmals geerntet werden darf.

Oft ist die weiss geschriebene Jahrzahl auf dem geschälten Stamm zu lesen. Sie gibt Aufschluss über die letzte Ernte, die nur im Abstand von 7-9 Jahren stattfinden kann.

 

Die Kleinstadt Coruche liegt am Rio Sorraia und ist für ihre Kork-Produktion bekannt. Nach den etwas nervigen, ruhelosen Tagen genau richtig, um hier kurz inne zu halten. Wir radeln dem Fluss entlang wo Reiher und Störche stolzieren. Und was huscht dort etwa 10 Meter vor unseren Augen über den Pfad? Der Fischotter ist eilig unterwegs und wurde dennoch erkannt!

Zum Schmunzeln bringt uns der ältere, gepflegte „Herr Portugiese“. Wir sitzen in der wärmenden Abendsonne vor dem Heimetli, was bei ihm ganz offensichtlich das Bedürfnis auslöst, uns etwas Gewichtiges mitzuteilen! Ohne seine portugiesische Sprache zu verstehen, ist er unmissverständlich am Schwärmen von unserem fahrenden Haus und dem guten Leben das wir auf diese Weise führen. In etwa so interpretieren wir seinen nicht zu bremsenden Redeschwall, den er mit strahlendem Gesicht an uns richtet.

 

Kurzum, wir geniessen das erste Adventswochenende bei herbstlichem Ambiente, fernab des stressigen Geschehens wo offenbar die winterlichen Verhältnisse Einzug halten.

 

Zum Schluss noch dies: die aktuellen Temperaturen genügen Barni nach wie vor, um barfuss in seinen Traveller-Sandalen die Portugiesen zum Staunen zu bringen. Die lachende Sonne und ihre Wärme verleihen uns noch immer sommerliche Gefühle, während die einheimischen Damen es kaum erwarten können,  ihre kniehohen Stiefel auszuführen!!


Até logo!