Von den Wüstenlandschaften zum südlichen Atlasfuss

Von Icht bis Tata gibt es Abwechslung in unterschiedlicher Weise.

Die fremdartige Wüstenlandschaft übt auf uns einen besonderen Reiz aus mit ihren Ton in Ton Farben, Dünen ähnliche Hügelketten und die unendliche Weite. Wenn sich dann unvermittelt Kamele auf und neben der Strasse aufhalten ist das Bild perfekt.

Da gibt der umgekippte Laster, der wegen eines technischen Defektes von der Strasse abgekommen ist doch eher das ungewöhnlichere Bild ab. Verletzt wurde scheinbar niemand und der alte Berliet-Laster ist auch schon mit der Bergung beschäftigt. Unsere Masse erlauben es knapp, den Unglücksort ungehindert zu passieren.

 

Es ist Freitag und kurz vor unserer Abfahrt in Foum-Zguid erreicht uns per Email die Reservations-Bestätigung vom Sahara-Sky Hotel in Tamegroute. Ein Grund zur Vorfreude auf das heutige Abendprogramm. Das Hotel ist in deutscher Hand und verfügt über eine professionelle Sternwarte. Für die Stellplatzbenützer ist im Angebot das Nachtessen mit anschliessender Sternbeobachtung inbegriffen und exakt darauf freuen wir uns.

Tja, ganz so super läuft es denn doch nicht an diesem Freitag. Glücklich in Tamegroute angekommen, aber noch acht Kilometer vom Sahara-Sky entfernt, ist der luftlose Reifen vorne rechts unverkennbar, na bravo! Glück im Unglück, denn in der Einsamkeit, von wo wir gerade kommen hätten wir noch älter ausgesehen. Hier, direkt vor dem Café Restaurant am Ortsausgang sorgen wir für Abwechslung. Die hilfsbereiten Marokkaner erklären mir im Handumdrehen wo ein Mechaniker zu finden ist. Dieser spricht zwar kein Französisch, doch der nette Berber Abdu Jalal übernimmt die Übersetzung wenn es nötig ist. Er hat sich ganz ungefragt und plötzlich als unser Helfer verstanden. Mindestens acht Schaulustige nehmen Teil am schwierigen Los des Mechanikers, der die festgesetzten Schrauben zu lösen hat. Er ist die Ruhe selbst und erklärt bald darauf, dass er den Reifen innerhalb einer Stunde reparieren werde.  Noch ist also unser Sterngucker-Abenteuer nicht verloren. Kurz nach fünf Uhr wird das Rad wieder montiert und hält bis heute. Was lernen wir daraus, wenn schon Panne dann zur richtigen Zeit und am richtigen Ort .....

Alles wird gut, das Erlebnis mit der Sternwarte und dem Hotelbesitzer, der in dieser Woche zufällig selbst zugegen ist, werden unvergesslich bleiben. Die übrige Zeit lebt er in Casablanca und managt sein gut funktionierendes Team aus der Distanz. Es würde den Rahmen sprengen, hier tiefer in die Geschichte einzutauchen. Der weltgewandte Herr Kroning weiss auf spannende Weise aus seinem ungewöhnlichen Leben und viel über seine Wahlheimat Marokko zu erzählen. Seine beibehaltene Bescheidenheit macht ihn für uns umso sympathischer. Die dereinst aus Hobbygründen von ihm errichtete Sternwarte ist unter Fachleuten eindeutig ein Geheimtipp. Wegen des lichtarmen Standortes und der sehr niedrigen Luftfeuchtigkeit sind die Sternbilder aussergewöhnlich klar zu sehen. Für uns Laien war es ein ganz besonderer Leckerbissen, nach einem hm, ereignisreichen Tag!

Anderntags fahren wir zurück nach Tamegroute, wo uns unser Freund Abdu-Jalal an gleicher Stelle von gestern erwartet – er wäre bestimmt auch nachmittags um 3 Uhr hier gesessen, die Zeit ist schliesslich kein Thema, Inshallah! Er übernimmt für uns die Rolle des Touristenführers durch den Souk, den Palmgarten und zur Potterie. Zum Schluss bereitet er in seinem Lehmhaus einen echten Thé à la menthe zu, den wir gemeinsam in seinem „Salon“ trinken. Seit 50 Jahren lebt er im Haus seines Ururgrossvaters, ist glücklich und vertraut auf Allah in jeder Hinsicht. Sein Tageseinkommen als Dattelpflücker und Arbeiter in der Palmerie liegt bei bescheidenen 80 Dirham, was ca. 8 CHF entspricht. So einfach sein Heim ist, wir staunen ob der Sauberkeit, dem kleinen Fernseher und dem ebenfalls vorhandenen Kühlschrank. Seine Frau begrüsst uns nur aus Entfernung aber sehr liebenswürdig. Nach gefühlten 3 Stunden ist unser Bedarf  an ungeahnten, fremden Eindrücken gedeckt. Die drei Pullover von Barni nimmt Abdu Jalal beim Abschied strahlend und gerne entgegen. Ohne unseren platten Reifen wären wir kaum je auf so privater Ebene, in einer blitzsauberen Lehmbehausung beim „Berber-Whiskey“ gesessen!

 

Im fruchtbaren Draa-Tal zwischen Zagora und Agdz reiht sich ein Kasbah-Ort an den anderen und die Dattel-Palmenoasen geben ein ungewöhnlich grünes Bild ab. Kein Zweifel, wir befinden uns in der Dattelregion. Dementsprechend hoffen die Dattelverkäufer mit ihren Ständen der Strasse entlang auf ein Geschäft, z.B. mit den anrollenden Womo’s. Keine Ahnung hatten wir zuvor, dass es etwa 150 verschiedene Dattelsorten gibt. Die Früchte werden im Oktober geerntet und sind hervorragende Vitamin-D Spender.

Das Erlebnis der anderen Art gibt es auf der Passhöhe des Tizi-n-Tinififft (viel Spass beim Aussprechen!). Aus dem Nichts in der einsamen Gegend klopft ein Mann an unsere Scheibe, kaum haben wir den Motor abgestellt. Datteln im kleinen Körbchen will er gegen Kleider tauschen. Barni’s Swiss Indoor Tshirt ist dann anscheinend nicht nach seinem Geschmack, er gibt es wieder zurück! Auch recht, Datteln haben wir eh schon.....

 

Nach den flachen, sandigen Wüstenebenen sind die Abstecher ins Felsgebirge des südlichen Atlas, durch die Dades- und die Todra-Schlucht ein abenteuerlicher Kontrast. Die rötlich farbenen Steinlandschaften mit den urtümlichen Wohnburgen gäben die vollkommene Kulisse für einen Bibelfilm ab. Die Statisten müssten jedenfalls nicht eingeflogen werden, denn von bepackten Eseln bis zu den Figuren in langen Kapuzengewändern wären alle bereits vor Ort.....

 

Marokko und sein Volk sind uns, mit ihrer in gewisser Weise grosszügigen Lebensauffassung mittlerweile ans Herz gewachsen. Niemals hört man einen Marokkaner jammern, denn das Leben ist schön – es sind die Menschen, die das oder die Probleme schaffen! Wie Recht er hat damit. Gleichzeitig stimmt uns diese Aussage nachdenklich, sie ausgerechnet hier zu hören. Viele von ihnen hätten aus unserer Sicht nicht viel zu lachen.

Heute hat uns in Ait Benhaddou der junge Strahlemann vom Camping mit einem riesen Smile erklärt: les gens qui sont préssés, ils sont déjà morts! Will heissen, die Menschen die immer in Eile sind, leben bereits nicht mehr...

Ja, hier sind wir in Afrika, da ticken eben keine Uhren!

 

Inschallah – so Gott will bis zum nächsten Mal!