Das Grundstück mit den zu erntenden Oliven liegt wie schon erwähnt im ca. 10 km entfernten Elea. Seit einigen Jahren schon ernten Billy und Hans die Oliven in diesem recht unwegsamen Gelände. Es gehört einem, mit ihnen befreundeten, Ehepaar aus Bozen.
Nach der struben Gewitternacht lacht am Morgen tatsächlich blauer Himmel und Sonne. Das führt dazu, dass Hans an unsere Haustür klopft während wir am Frühstück sitzen. Es trifft der Ernstfall ein und um 10.00 Uhr ist Abfahrt, das Abenteuer kann also losgehen.
Hans hat Fahrzeug und Anhänger abfahrbereit beladen, die Arbeit beginnt für ihn schon weit im Voraus.
Die Vorbereitungen vor Ort nehmen bereits eine beachtliche Zeit in Anspruch. Etliche Gänge und Handgriffe braucht es, bis alle benötigten Arbeitsgeräte ausgeladen sind und mit der Erntearbeit wirklich begonnen werden kann. Wenn der Baum der in Angriff genommen wird bestimmt ist, müssen als Erstes die gewaltigen Netzmatten sinnvoll und gekonnt ausgebreitet werden, denn jede Olive die fällt und durch die Luft wirbelt zählt.
Die Arbeitsteilung ist bald fixiert: Hans auf der Leiter beschneidet die Bäume, Billy und ich sammeln die abgesägten Äste ein. Bei Bedarf stutze ich diese mit der riesigen Gartenzange und trenne die Äste von den dickeren Stämmen. Danach kommt Barni der Maschinist zum Einsatz und zieht sie durch die Erntemaschine. Ich nenne sie „Strupfmaschine“ denn die Oliven werden mittels den drehenden Kunststoffstäben von den Ästen gekämmt. Ein Teil der Früchte fällt so direkt in den Auffangkanal und gelangt von dort in den an der Maschine befestigten Sack. Der andere Teil spickt in alle Himmelsrichtungen und landet auf den Netzmatten, wo man sie am Schluss zusammennimmt. Und was passiert mit der unendlichen Menge an leer gewordenen Ästen? Sie müssen verbrannt werden und wir Frauen tragen sie in ebenso unendlich vielen Gängen zu den Feuersammelstellen.
Für die Oliven an den Ästen, welche nicht geschnitten werden müssen, kommt der sogenannte Stirer zum Einsatz, der mit Strom über den Benzin-Generator angetrieben wird. An einem 3-4 m langen Stab befindet sich vorne ein rotierender Kamm. Er funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die „Strupfmaschine“: Mann fährt mit dem Gerät in die Baumkrone zwischen die Äste und die Oliven fallen zu Boden. Auf die Dauer eine Arm ermüdende Tätigkeit für die Männer, denn im Haltegriff ist der Elektroantrieb integriert und er hat so sein Gewicht.
Eines ist jedenfalls schnell klar, ein Ponyhof ist das Ganze wahrhaftig nicht!
Unser Team funktioniert hervorragend und wir kommen flott voran. Nach kurzer Zeit bedarf es keiner Anweisungen mehr, wir wissen was wann zu tun ist. Locker kann man die Tätigkeit nicht nennen, dafür ist es unsere Stimmung währenddessen umso mehr. Immer gibt’s einen Grund zum Lachen und irgend ein Quartett-Mitglied weiss bestimmt einen „intelligenten“ Spruch ...! Die „Mausi“, so nennt Billy die wilde Katze, wartet auch täglich mit ihrer Gesellschaft auf. Sie begrüsst uns jeden Morgen laut miauend und hofft auf ein Mitbringsel. Mit jedem Tag wird sie zutraulicher aber auch unverschämter in den Ansprüchen!
Die Sonne und der blaue Himmel geben natürlich einen bestechenden Hintergrund ab für die Bildreportage. In Tat und Wahrheit wären wir froh um jede Wolke, denn im Loch hier bei Tino ist das gestaute Klima brutal Schweiss treibend.
Nach der körperlichen Ertüchtigung stellt sich am Abend jeweils eine wirkliche Zufriedenheit ein und der Anblick der gefüllten Olivensäcke macht Stimmung. Wichtig dabei ist auch die Feststellung, dass alle unsere Muskeln noch einwandfrei funktionieren! Wir spüren gar solche, von denen wir lange nicht mehr wissen dass es sie gibt .......
Für die seriöse Ernte ist das trockene Wetter unabdingbar, daher kennen die Olivenbauern kein Wochenende. Feuchte oder nasse Bäume dürfen, sollten nicht bearbeitet werden, weil es in erster Linie für den Baum schädlich ist. An den Ästen bilden sich dadurch Verwachsungen und Verknorpelungen.
Meist fahren wir morgens um neun Uhr los (Griechenland ist eine Stunde voraus) und bis die gesamte Einrichtung installiert ist, sind auch die taunassen Bäume trocken. Wenn nicht, forciert Barni den Trocknungsprozess indem er mit dem Haken die Baumkronen leicht schüttelt. Zwei Fliegen mit einer Klappe werden damit erschlagen, denn es regnet nicht nur Wassertropfen sondern auch die faulen Oliven. Die Netzmatten werden erst danach ausgelegt.
Knappe vier Tage nacheinander können wir vollen Einsatz bringen, der Wetterbericht hat ziemlich genau gepasst. Dann müssen wir etwas vorzeitig abbrechen, weil die ersten Tropfen ca. 1 Stunde verfrüht fallen und es kommt kurz Hektik auf.
Darauf folgte vielleicht eine „Schiffinacht“ mit Donnergrollen als ob die Welt gerade unterginge! Die Erntearbeit findet heute bestimmt keine Fortsetzung. Da kennen wir aber Hans schlecht, denn es gibt immer etwas zu tun. Deshalb ziehen die Männer nach dem Frühstück von dannen um die übergrossen Asthaufen in Elea zu verbrennen. Im Hinterkopf sitzt die leise Hoffnung, dass die Trockenphase reicht, um den angefangenen Baum von gestern fertig stutzen zu können. Das wäre ideal – gewesen! Leider macht das Wetter seine eigenen Kapriolen und zerschlägt diese Variante im Wind. In der Zwischenzeit sind wir Frauen nicht untätig und haushalten was das Zeug hält, sei es im Haus oder im Womo! Während Billy und ich eine kurze Espresso-Pause halten auf der Veranda, erblicke ich tatsächlich einen Fuchs unweit unter dem Orangenbaum – und das am helllichten Tag.
Nach dem Pausentag entwickelt sich das Wetter wieder in die richtige Richtung für uns. Bald hantieren wir im vollen Sonnenschein an unserem angefangenen Baum vom Sonntag. Bis zur Mittagsrast liegen bereits zwei volle Säcke mit den kostbaren Früchten bereit. Nach beinah einer Woche läuft das sich immer wiederholende Prozedere innerhalb unseres Teams reibungslos und speditiv ab. Es macht Spass, in dieser Zusammensetzung die harte aber ebenso erfreuliche Arbeit zu verrichten. Wir lachen viel, denn trotz Krampf kommen die lockeren Sprüche keineswegs zu kurz. Hans, das sägende Äffli auf der Leiter, Barni der Maschinist und wir Frauen die Handlanger, die das Astmaterial hin- und abtransportieren, aussortieren, ausasten, kurzum wir sind die Gangos.
Um vier Uhr ist unser Tagessoll meist erreicht und wir vier alle ziemlich erledigt. Heimwärts geht’s mit dem kurzen Inspektionshalt am Strand bzw. beim angehenden Hafen. Dort wird richtig griechisch betoniert, so dass es dem Baufachmann Barni alle Nackenhaare aufstellt.... Bleibt noch die Abfallsackentsorgung beim Container am Strand zu erwähnen, sie klappt erst im zweiten Anlauf. Zu Hause angekommen stelle ich nämlich mit Schrecken fest, dass anstelle des Abfalls, mein Sack mit den Schuhen im Container gelandet ist! K.O. wie wir sind, fahren Billy und ich nochmals zum Strand, damit ich meinen Missgriff korrigieren kann!!
Das Highlight des nächsten Tages ist das Ölpress-Erlebnis mit den ersten 13,5 gefüllten 40 kg Säcken. Eine Freude ist es, die Arbeitsgänge bis zum hellgrün leuchtenden, wertvollen Öl mit zu verfolgen.
Der relativ neue Betrieb beeindruckt uns und überzeugt mit einer Top-Organisation, Sauberkeit und freundlichen, tüchtigen Mitarbeitern.
Ein besonderes Gefühl überkommt uns beim Anblick „unserer“ Oliven, wenn sie aus den Säcken in den grossen Trichter purzeln. Dann treten sie die Reise aufs Förderband an, unterwegs werden die mitgekommenen Blätter abgesaugt und weiter geht die Fahrt durchs Wasserbad. Danach wird gut gerüttelt, bevor die kostbaren Früchte in den für den Kunden bestimmten Behälter abtransportiert werden und aus unserem Blickfeld verschwinden. Nach ca. anderthalb Stunden werden wir das frisch gepresste Öl in Empfang nehmen können.
Die Wartezeit verkürzen wir uns mit dem Nachtessen in Skala, in Form von Suvlaki, Gyros und Kabissalat. Abgesehen von den riesigen Portionen ist es ein ausgezeichnetes Mahl im authentischen Lokal. Ein einheimischer Gast am Tisch nebenan spendiert uns einen kleinen Krug Weisswein. Das passiert uns bereits zum zweiten Mal in Griechenland!
Zurück in der Ölpresse können wir in unserem Behälter schon die sogenannte Maische erkennen, die beim Pressen entsteht. Der schönste Moment ist es zu sehen, wie der hellgrüne Saft aus dem Hahn fliesst, das weckt wahrlich Glücksgefühle aus.
Unsere angelieferten 493 kg Oliven sind innert kurzer Zeit, in 95,8 Liter feinstes Öl verwandelt worden. Zu unserer Überraschung sind zwei Kanister à fünf Liter für uns abgefüllt worden, die Billy und Hans uns freudig überreichen. So schön und juhui – ein mit Herzblut erarbeiteter Zahltag!
Die zweite Etappe in Elea ist noch eine Spur nahrhafter. Zum einen liegt dies an der beträchtlichen Fussdistanz, die über das Grundstück zurückgelegt werden muss. Zum anderen sind es Bäume, die extrem viel Holzarbeit verlangen, sprich teilweise müssen sehr grosse Äste rausgeschnitten werden. Die Schneidarbeit am Olivenbaum ist ein wichtiger Bestandteil der Ernte: gewusst wo, wie und wann. Der Baum dankt es mit neuen Trieben, die frühestens im übernächsten Jahr wieder Früchte tragen.
Unter den gegebenen Umständen verbringen wir zwei extreme Tage mit ordentlichem Ausdauertraining, im Sinne von hin- und herlaufen zwecks Materialtransport: Netzmatten schleppen, Strupfmaschine schieben, Kettensäge, Generator für die Stirer, die beiden Stirer selbst, Haken, Rechen, Gartenzange etc.!
Das Dessert erwartet uns dagegen mit den eigenen Bäumen direkt vor dem Haus von Billy und Hans. Hätten wir einzig diese Ernte-Variante erlebt, wäre unser Eindruck wesentlich anders ausgefallen. Im Vergleich zu Elea empfinden wir diese Arbeit beinahe als einen Spaziergang. Die Oliven werden hier von Hand, mittels Kamm ähnlichem Handrechen von den Bäumen geholt. Das ist zwar auf die Dauer für das Genick auch nicht entspannend, aber insgesamt dennoch eine Freude. Exakt mit dem Beenden der ersten grossen Etappe, stellt sich das angekündete, nasse Wetter ein. Kratzt uns nicht mehr, denn die letzten zwanzig Bäume sind voraussichtlich im Januar soweit, bis dahin ist erst mal Pause.
Passt gut - wir nutzen die Zeit, um auf dem Luftweg in die CH zu kommen und die Feiertage mit unserer Familie zu verbringen. Obwohl, der Winter ist nicht wirklich der Magnet für unseren Abstecher
in die CH. Uns genügt es, wenn wir das weiter entfernte Taygetos-Gebirge mit seinem Schneeschaum bestaunen und gleichzeitig angenehme Temperaturen von 16° - 20° geniessen
können.
Wie auch immer, unsere Neugierde bezüglich Olivenernte konnten wir bisher ausreichend stillen und sind um einiges klüger als wie zuvor. Dies bezieht sich genauso auf unser vergangenes erstes Reisejahr. Auf unserer Festplatte haben sich unzählige Eindrücke eingebrannt, die wir jederzeit abrufen und unsere Freude daran haben können. Die Tagebuchführung ist dabei unerlässlich, denn wie sonst wäre es möglich sich zu erinnern, was wann, wo genau sich zugetragen hat.
Der goldene Schlusspunkt setzt eindeutig unsere Olivenernte-Erfahrung, die sich wahrhaftig erst mit dem Erleben so richtig anfühlt. Wir sind stolz und glücklich über die jüngst erworbenen Eindrücke.
An dieser Stelle wünschen wir unseren treuen „Spuren-Verfolgern“ eine frohe Weihnachtszeit im vertrauten Kreis von Familie und Freunden.
Bis bald in alter Frische!